Robert Blum und Andi Egger gehören zu jenen Piloten, die im Hike-and-Fly das Abenteuer suchen. Ihr jüngster Trip nach Nepal brachte sie an ihre Grenzen. Ein Interview
Robert Blum und Andi Egger vor dem Machapuchare. Die größten Strapazen liegen hinter ihnen.
// Quelle aller Bilder: Youtube - R. Blum

Robert Blum und Andi Egger dürften regelmäßigen Lu-Glidz-Leser keine Unbekannten mehr sein. 2015 flogen sie in einer zehntägigen Biwak-Flugtour durch den Hohen Atlas in Marokko (Lu-Glidz berichtete). Im vergangenen November realisierten sie  ihren nächsten Traum. Ein Hike-and-Fly-Abenteuer in Nepal, um von Simikot fliegend bis Pokhara zu kommen. Luftlinie sind das rund 280 Kilometer. Doch dazwischen liegt ein Meer an zerklüfteten Tälern, tiefen Schluchten, Bambus-Urwäldern, schroffen Felswänden, kaum Landemöglichkeiten. Bei Inversionswetterlagen kämpften die beiden gemeinsam ums oben bleiben und waren zugleich gezwungen, hoch zu fliegen - höher als ihre Körper vertragen konnten. Über die Geißel der Höhenkrankheit und andere Misslichkeiten, aber auch die großen emotionalen Momente, neben einem 8000er aufzudrehen, erzählt Robert im folgenden Interview.

Robert und Andi haben ihr Nepal-Abenteuer im Video festgehalten. Die sehr authentische, sehenswerte Dokumentation "Über die wilden Schluchten Nepals" ist auf Youtube zu finden. (Hinweis: Auf Mobilgeräten wird der Film in der Youtube-App nicht abgespielt. Es funktioniert aber, wenn man das Video im Browser aufruft und dort in den Optionen "Desktop-Version anfordern" anwählt. Empfehlenswerter ist es freilich, die imposanten Bilder gleich auf einem großen Bildschirm in HD zu genießen.)


Andi Egger und Robert Blum, irgendwo in der nepalesischen Wildnis.
Ein großes Abenteuer habt ihr da wieder erlebt. Allerdings merkt man an vielen Stellen des Filmes an, dass Nepal eure bisher größte Herausforderung war. Hattet ihr die Verhältnisse unterschätzt?
Robert Blum: Ja, definitiv. Allerdings beschränkt sich das auf zwei wesentliche Sachen. Einmal die zur Verfügung stehende Thermikzeit und dann die Orientierung beim Fliegen.

Hattet ihr kein GPS, das euch die Richtung weist?
Robert: Das Problem war nicht die grobe Richtung, sondern die feine Orientierung. Wo ist die nächste Thermik? Von wo kommt der Wind? Wo sind Lee-Gefahren, und so weiter. Das Gelände in Nepal ist sehr durchwürfelt und zerklüftet, ohne Strukturen wie lange Täler. Durch die großen Gletscher und Täler passierte es, dass bald an jeder Ecke ein anderer Wind vorherrschte. Da fliegst du eine Stelle an, musst dann aber schlagartig neu entscheiden. Wir flogen zum Beispiel an einem Bergrücken entlang, und aus dem leichtem Rückenwind wurde Gegenwind. Wieso auch immer.

Und was war das Problem mit der Thermikzeit?
Robert: Wir waren ja im November dort. Um diese Jahreszeit ist dort auch Herbst und die Thermik verhält sich wie bei uns im Oktober und November. Es geht sehr spät los und hört früh wieder auf. Zeitlich heißt das, Thermikzeit ist von 12 Uhr bis 15 Uhr, aber auch mit großen Thermiklücken dazwischen, die es immer zu überstehen galt, speziell beim Losfliegen.

Was war denn der spannendste Moment der Reise, den du am liebsten nicht noch einmal erleben würdest?
Robert: An den ersten Tagen haben Andi und ich uns nach dem Landen immer das gleiche gesagt: "Das ist kein Urlaub!". Es gab jede Menge Momente, auf die ich gerne verzichtet hätte. Dabei meine ich keine Flugzustände, wie Klapper oder ähnliches. Da war immer die Angst, in eine der Schluchten abzusaufen oder zwischendrin in den hohen Bäumen notlanden zu müssen. Das hätte Tage gedauert, um dort wieder heraus zu kommen. Ohne Orientierung und ohne Wege, ohne Wissen in welche Richtung - wenn man das überhaupt unverletzt überstanden hätte.

Im Video sprichst du an einer Stelle von einer Mausefalle...
Robert: Der Wind blies uns auf diese sehr westlich ausgerichtete Bergseite hin. Wir wussten schon vor dem Start, dass wir dort hoch und drüber müssen um weiter zu kommen. Hätten wir das nicht geschafft, ohje, ich mag gar nicht mehr daran denken! 

Was hätte das bedeutet, es nicht zu schaffen?
Robert: Wir hätten in einem Hochtal landen müssen, das für uns, da wir nicht genügend akklimatisiert waren, zu hoch gewesen wäre. Die Bergflanken waren so steil und felsig, dass ein Herauskommen unglaublich aufwendig und gefährlich gewesen wäre.

Also blieb nur, sich ganz langsam durchzubeißen?
Robert: Ja, und zwar bei zäher Inversion, einer sehr zyklischen Thermik und den sehr lokal vorherrschenden Winden, die das Fliegen extrem schwer gemacht haben. 20 bis 30 Kilometer am Tag waren für uns schon super.

Anstrengende Startplatzsuche in großer Höhe, mit 27 kg auf dem Rücken.
Ein großes Problem scheint auch das ständige Fliegen in großen Höhen gewesen zu sein. Wie fühlt es sich an, wenn man im Flug höhenkrank wird?
Robert: Das Problem mit der Höhe hat uns gleich am ersten Flugtag erwischt. In unserem Ankunftsort Simikot und der ganzen Region ist Fliegen verboten. Wir mussten uns davonschleichen und konnten erst ein Tal weiter ungesehen zur besten Thermikzeit starten. Es korkte mich gleich von 3400 auf 5500 Meter hoch. Dort musste ich 20 Minuten auf Andi warten. Er hatte die Thermikpause erwischt. Als Andi aufgeschlossen hatte und es noch höher zum Talsprung auf knapp 6000 Meter ging, bemerkte ich, wie mir die Finger begannen zu kribbeln.

Wie hast du reagiert?
Robert: Leider dachte ich: Ein Kreis geht noch. Aber da waren die Hände schon taub. Ich war nicht einmal mehr fähig, die Ohren anzulegen, weil ich die Arme nicht mehr hoch genug brachte. Ich steigerte meine Atemfrequenz auf das Maximum, um möglichst viel Sauerstoff zu bekommen. Ich war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Nur mit allergrößter Willensanstrengung habe ich die Augen noch offen halten können. 

Aber irgendwie bist du doch weitergeflogen?
Robert: Ich korrigierte die Flugrichtung so, dass ich bestimmt eine halbe Stunde abgeglitten wäre, wenn ich ohnmächtig im Gurtzeug gehangen hätte. Ganz, ganz knapp konnte ich das verhindern. Der Andi hatte ähnliche Probleme.

Also alles andere als ein Traumstart in so eine Tour.
Robert: Nach dem Tag hatten wir einen großen Respekt vor der Höhe und waren physisch und psychisch sehr angeschlagen.

Im Video ist das gut zu sehen. Ihr blickt richtig fertig drein. Wie oft hast du zwischendrin ans Aufgeben gedacht? 
Robert: Ganz sicher an dem Tag, von dem es keine Bilder und kein Video gibt. Wir waren beide sehr kaputt, hatten die ersten Symptome von Höhenkrankheit und mussten aber weiter! Der Wind war am Berg sehr föhnig, und die Wolken sprachen von viel Wind in den oberen Schichten. Körperlich war ich schon vor dem Start am Ende und in der Luft hatte ich wirklich Probleme den Schirm zu kontrollieren. Nach zwei Stunden konnte ich nicht mehr und wollte nur noch runter! Ich hatte wirklich Angst, den Schirm nicht mehr abfangen zu können, weil ich zu kraftlos und unkonzentriert war. Andi ging es besser. Er wunderte sich, warum ich plötzlich mit angelegten Ohren Richtung Tal flog.

Er ist dir dann aber gefolgt.
Robert: Nach der gemeinsamen Landung zwischen Hunderten von Kindern sagte ich Andi, dass ich jetzt und sofort Urlaub in der Karibik am Strand machen möchte, dass mir das Fliegen hier zu heftig ist und ich Angst habe irgendwo „liegen zu bleiben“.

Wie hat Andi reagiert?
Robert: In solchen Situation ist ein toller Partner viel Wert. Die Ruhe und Gelassenheit von Andi hat uns erst mal was Essen lassen, und danach war die Welt wieder fast in Ordnung. Am nächsten Tag ging es weiter.

Wie lange habt ihr euch eigentlich vor Ort akklimatisiert, bevor ihr die Tour begonnen habt?
Robert: Wir waren zwei Tage in Simikot auf 3000 Meter gewissermaßen gefangen. Die Pässe wurden uns abgenommen, und wir durften erst weiter, nachdem wir eine extra Genehmigung über Kathmandu per Fax angefordert hatten.

Sind zwei Tage als Gewöhnung an die Höhe nicht etwas kurz?
Robert: Zwei Tage sind definitiv zu wenig, aber unser Plan war, niedrig anzufangen, um mit der Zeit höher und höher zu gelangen. Leider hat das nicht funktioniert. Wir mussten gleich sehr hoch fliegen, um nicht in der Inversion gefangen zu sein.

Würdest du nach dieser Erfahrung empfehlen, für solche Flugabenteuer in Nepal lieber das Extragewicht einer Sauerstoffflasche zu schultern?
Robert: Nein, das wäre zu schwer. Bei 22 Kilogramm Ausrüstung ohne Wasser und 27 Kilogramm mit Wasser ist jedes weitere Kilo zu viel. Besser wäre es, vorher mehr Zeit in der Höhe verbringen, um den Körper an die dünne Luft zu gewöhnen. Das hilft auch.

Fliegen vor der 8000er-Kulisse des Dhaulagiri.
Angesichts all dieser Strapazen - was war im Gegenzug das Highlight, das alle Schwierigkeiten wieder aufwiegt?
Robert: Der Flug entlang der Achttausender Dhaulagiri und Annapurna, mit der Ankunft am Fishtail, dem heiligen Berg Machapuchare.

Das waren rund 100 Kilometer.
Robert:  Im Grunde auch nicht sehr weit. Aber wir waren endlich auf der Südseite des Himalaya Gebirges. Wir hatten einen tollen Tag erwischt und machten den Flug unseres Lebens. Schon während des Fliegens entluden sich die Emotionen. Andi und ich, wir haben gejodelt, gejuchzt, wir haben wild mit Händen und Füßen umhergezappelt. Wir waren wie kleine Kinder.

Und nach der Landung?
Robert: Da sagten wir uns: Eigentlich müssten wir jetzt mit dem Fliegen aufhören, denn besser kann es nicht mehr werden.

Die Erlebnisse auf so einem Trip sind sicher einmalig. Aber sind sie auch das Risiko wert?
Robert: Es war der härteste, aufregendste und emotionalste Trip, den wir bisher gemacht haben. Macht man so was nochmal? Ich denke, das ist wie bei den Jungs von den X-Alps. Fragt man sie direkt nach dem Rennen, würden einige bestimmt antworten: Nie mehr! Und das nächste Mal stehen sie doch wieder am Start.

Was kommt als nächstes Projekt?
Robert: Das sind für mich keine Projekte, sondern Träume, die ich mir erfülle. Und ich träume noch von dem einen oder anderem Abenteuer...






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